von Wolfgang Schleicher
Obwohl ich wusste, dass die Vorbereitungszeit nach meinem „Seuchenjahr“ mit dem negativen Höhepunkt beim „Sonnwendlauf“ in Schwarzenfeld am 18. Juni, den ich nach ca. 4 Kilometer abbrechen musste, viel zu kurz war, fuhr ich am Freitag nach Schulschluss mit meiner Familie nach Österreich um an der „11. Tour de Tirol“ teilzunehmen. Schon während der Fahrt spürte ich das mein rechter Oberschenkel nicht so war, wie er sein sollte. Ständig drückte ich darauf rum und Marion ermahnte mich mit strengen Blicken jetzt endlich lockerer zu werden. Nach knapp vier Stunden kamen wir um kurz vor 17:00 Uhr in Söll an, eine Stunde vor dem Start zu meiner bisher größten läuferischen Herausforderung. Marion regelte alles mit unserer Unterkunft und ich holte meine Unterlagen. An dieser Stelle schon einmal ein riesiges Dankeschön an meine Familie die mich an diesem Wochenende und auch in der nicht einfachen Vorbereitung, trotz meines „Tunnelblickes“, so gut unterstützt hat.
Dann ging das Abenteuer los! Für den „Söller Zehner“, der zum Aufwärmen dienen sollte, hab ich mir einen 4:30er Schnitt vorgenommen. Auf den laut Ausschreibung „3 kupierten Runden mit je 106 Höhenmeter“ konnte ich zwar meinen Vorsatz umsetzen, aber es war in keinster Weise locker. Besonders auf den Bergabpassagen hab ich sehr viel Zeit verloren. Nach 45:13 Minuten beendete ich Auf Platz 18 in der AK M50 den Wettkampf (Platz 144 von 426 Männern im Ziel). Nach einer warmen Dusche und einigen Dehnungsübungen ging es mit den Läufern des Lauftreffs Schwandorf zum Abendessen. Bei Pasta und Pizza wurde der erste Wettkampf ausgewertet und die Taktik für den nächsten Tag besprochen. Zu diesem Zeitpunkt war ich immer noch oder schon wieder fokussiert. Der erste Tag war in Ordnung, der Körper hat mitgespielt und natürlich hatte ich den Plan für mein nächstes Rennen schon lange im Hinterkopf, alles unter der Voraussetzung dass meine Beine dieser Belastung standhalten.
Den „Kaisermarathon“ mit insgesamt 2345 Höhenmeter wollte ich unter 5 Stunden schaffen. Dabei habe ich die Zwischenzeiten von Christian Liebl aus dem Vorjahr als Anhalt genommen, obwohl ich wusste dass die Strecke verändert wurde. Ich kann mich nicht erinnern, dass ich jemals vor einem Wettkampf so nervös war wie an diesem Samstag. Meine Frau hat nur noch den Kopf geschüttelt und ich wollte die Sache einfach hinter mich bringen, in der Hoffnung dass alles gut geht. Auf den ersten 8 Kilometern hatte ich total schwere Beine und ständig stellte ich mir die Frage, wie ich die nächsten 35 Kilometer überstehen soll. Auch das Wetter war mit Nebel, Nieselregen und Temperaturen um die null Grad nicht gerade läuferfreundlich. Aber es ging besser als gedacht. Meine angestrebten Zeiten bis zur „Tanzbodenalm“ bei Kilometer 25 konnte ich einhalten.
Nach 2:46 Stunden unterzog ich mich einem kompletten Kleidungswechsel. Unterstützt von Marion tauschte ich schon fast so perfekt wie bei der „Formel 1“ innerhalb von zwei Minuten meine komplette Bekleidung, ausser Unterhose und Schuhe, was den einen oder anderen Wanderer in der „Tanzbodenalm“ zum Schmunzeln verleitete. Allerdings war dieser Entschluss Gold wert. Mit trockener Kleidung ging es jetzt erst einmal knapp 10 Kilometer mehr oder weniger bergab oder flach Richtung Hexenwasser. Was dann kam ist eigentlich sehr schwer zu beschreiben. Der viel zitierte 7 Kilometer lange Schlussanstieg stand nun bevor. An Laufen war nicht zu denken, aber auch hier gab es Athleten die schneller gehen konnten als ich. Für diesen Abschnitt vom Hexenwasser bis zum Ziel auf der „Hohen Salve“ benötigte ich sage und schreibe 1:07:00 Stunden, das entsprach einen Kilometer-Schnitt von ungefähr 9:30 Minuten! Nach 4.52:40 Stunden erreichte ich zitternd und mit einer Gänsehaut, die nicht nur den Temperaturen geschuldet war, das Ziel auf der „Hohen Salve“ (1829 Meter). Platz 9 in der AK M50 war der Lohn für einen Tag, den ich in meinem Läuferleben, trotz Zugspitz-Extremberglauf und Inferno-Halbmarathon, noch nicht erlebt hatte. Nach einigen Bechern warmen Tee fuhren wir gleich ins Tal, um schnellstmöglich unter die warme Dusche zu kommen und den geschundenen Körper auf den letzten Wettkampf vorzubereiten.
Nach einer Stunde Gymnastik und einigen schmerzhaften Übungen mit meiner Faszienrolle, hat es mich dann noch für zwei Stunden in einen Tiefschlaf gerissen. Schnell noch einmal zu einem gemeinsamen Abendessen mit den Läufern aus der Oberpfalz aufraffen und schon ging es in die 10-stündige Erholungsphase. Mein Plan für die letzte Etappe stand zu diesem Zeitpunkt fest. Ich war voll im Soll und kannte die Strecke, die ich zu Trainingszwecken vor drei Wochen schon einmal abgelaufen war. 15 Kilometer lang in den Körper hinein hören und dann einfach mal laufen lassen. Um 07:30 Uhr klingelte am Sonntag der Wecker, es ging endlich dem Ende zu.
Der letzte Teil der Tour stand mit dem 23 Kilometer langen „Pölventrail“ an und ich hoffte dass mich mein Körper auf den abschließenden 1250 Höhenmeter, trotz der 52 Kilometer aus den beiden Vortagen, nicht im Stich lässt. Beim Start um 09:40 Uhr befand ich mich in der zweiten Welle. Dort waren alle Athleten die am Freitag für die 10 Kilometer mehr als 40 Minuten gebraucht hatten. Ich wusste zwar, was in den nächsten drei Stunden auf mich zukam, allerdings bin ich noch nie mit so dicken Oberschenkeln in einen so anspruchsvollen Wettkampf gegangen. Nach dem Start ging es lediglich ca. 500 Meter flach durch die Ortschaft. Dann folgte der erste Anstieg über ca. 2 Kilometer, anschließend wurde es ein richtiger Traillauf. Es ging immer bergauf und bergab und mein Plan schien aufzugehen. Ich hörte zwar immer noch bei jedem Schritt in meinen Körper hinein, aber nach jedem Kilometerschild wurde ich mir meiner Sache sicherer, dass ich diesen Wettkampf unter meinem Minimalziel von 9 Stunden schaffen würde.
Nach 19 Kilometern und 2:30 Stunden traf ich einen Läufer, von dem ich wusste dass er letztes Jahr 2:41 Stunden gelaufen war. Ich fragte ihn, welche Zielzeit von hier aus noch zu erwarten war. Als er sagte dass eine 2:45 Stunden durchaus möglich wäre, habe ich es nach über 70 Kilometer mal laufen lassen. Kilometer 21 beim „Pölven“ sollte mit 4:03 Minuten dann auch der schnellste Kilometer der Tour sein. Am Ende lief ich nach 2:46:17 Stunden (Platz 31 in der AK M50) durch den Zielbogen. Dass ich in der Gesamtwertung nach 8:24:04 Stunden den 9. Platz in der AK M50, hinter drei Österreichern, drei Schweizern und zwei Deutschen erreicht habe, war mir in diesem emotionalen Moment noch nicht bewusst.
Mein persönliches Fazit: Ich habe in diesen drei Tagen, trotz nicht optimaler Vorbereitung, einen Wettkampf absolviert, der mich phasenweise an meine Grenzen gebracht hat. An dieser Stelle nochmals vielen Dank an Marion und Hanna für die hervorragende Unterstützung und die Dokumentation meiner „Tour“.